KI-Zusammenfassungen bei Google: Warum Abgaben an die VG Wort überfällig sind

29.07.2025
von Jörg Schieb

Googles „KI Übersicht“ ist seit März 2025 in Deutschland aktiv. Diese Zusammenfassungen reduzieren Website-Klicks um bis zu 50 Prozent. Ein echtes Problem für viele Webseitenbetreiber und Verlage – und deswegen ein Zankapfel.

Während die VG Wort bereits KI-Lizenzen für Unternehmen eingeführt hat, fehlt ein fairer Vergütungsmechanismus für kommerzielle KI-Anbieter wie Google – Zeit für eine überfällige Diskussion über digitale Gerechtigkeit.

Das Ende des Klicks: Wie Google AI Overviews den Journalismus bedrohen

Seit dem 26. März 2025 ist es offiziell: Google AI Overviews laufen auch in Deutschland. Was Google euphemistisch als „Übersicht mit KI“ bewirbt, entpuppt sich für Verlage und Content-Ersteller als existenzielle Bedrohung.

Die KI-generierten Zusammenfassungen erscheinen prominent über den organischen Suchergebnissen und liefern Nutzern direkt auf der Suchergebnisseite vermeintlich ausreichende Antworten.

Person arbeitet an einem Computer mit Künstlicher Intelligenz

Dramatische Auswirkungen auf Website-Traffic

Die Zahlen sind alarmierend: Laut einer Pew-Research-Erhebung halbieren sich die Klickraten bei Suchergebnissen mit AI Overviews – von 15 auf nur noch acht Prozent. Für werbefinanzierte Medien und Paywall-Modelle bedeutet dies einen direkten Einnahmeverlust, da beide Geschäftsmodelle auf der Grundannahme basieren, dass Nutzer für weitere Informationen die Ursprungsquelle aufsuchen.

Das Problem liegt auf der Hand: Wenn Google bereits auf der Ergebnisseite eine vermeintlich ausreichende Antwort liefert, sinkt der Anreiz zum Durchklicken drastisch. Content-Anbieter werden so zu unbezahlten Datenlieferanten für Googles KI-System degradiert.

Rechtliche Grauzone: Training ohne Zustimmung

Anders als klassische Snippets oder Teaser bewegen sich AI Overviews in einer schwer fassbaren rechtlichen Grauzone. Die verwendeten Inhalte werden nicht direkt zitiert, sondern durch Large Language Models neu zusammengesetzt – meist ohne Quellenangabe, oft ohne semantische Präzision der Originale.

Text-und-Data-Mining vs. kommerzielle Verwertung

Zwar argumentieren KI-Anbieter mit den „Text and Data Mining“-Regelungen (§ 44b und § 60d UrhG), doch Urheberrechtsexperten widersprechen dieser Lesart vehement. Das Training generativer KI geht weit über klassisches TDM hinaus und stellt eine eigenständige Nutzungsart dar, die der expliziten Zustimmung der Rechteinhaber bedarf.

Besonders problematisch: Google nimmt sich das Recht heraus, KI-Antworten zu generieren, ohne dass eine explizite Zustimmung der Inhalte-Anbieter vorliegt oder eine Vergütung geklärt wäre. Dies gleicht einer automatisierten Inhaltsaneignung, die redaktionelle Arbeit zur reinen Trainingsmasse degradiert.

Wenn es passt, präsentiert Google ab sofort KI-Antworten
Google hat die „Übersicht KI“ eingeführt: KI-Antworten neben den üblichen Treffern

VG Wort zeigt den Weg: KI-Lizenzen als Lösungsansatz

Die VG Wort hat bereits im Juni 2024 einen wichtigen Schritt unternommen: Mit der neuen KI-Lizenz können deutsche Unternehmen seit Januar 2025 urheberrechtlich geschützte Werke für unternehmensinterne KI-Anwendungen lizenzieren. Diese Lizenz umfasst:

  • Speicherung und Umwandlung von Werken als Trainingsdaten
  • Unternehmensinterne KI-Entwicklung und -anwendung
  • Nutzung des generierten Outputs
  • Faire Vergütung für Urheber und Verlage

Ein Modell für kommerzielle KI-Anbieter?

Was für Unternehmen funktioniert, muss auch für Tech-Giganten wie Google gelten. Ein gesetzlich geregeltes Vergütungsmodell nach dem Vorbild der VG Wort – mit Pflichtabgaben für generative Nutzungen journalistischer Inhalte – wäre ein logischer nächster Schritt.

Internationale Perspektive: Deutschland als Vorreiter

Während andere Länder noch um rechtliche Klarstellungen ringen, positioniert sich Deutschland mit der VG Wort-Initiative als Vorreiter für faire KI-Vergütung. Die neue Lizenz zeigt, dass kollektive Rechtewahrnehmung auch in der KI-Ära funktionieren kann.

Was andere Länder lernen können

  • Transparente Lizenzmodelle für KI-Nutzungen schaffen Rechtssicherheit
  • Opt-out-Verfahren respektieren Urheberrechte ohne bürokratische Hürden
  • Faire Verteilung zwischen Urhebern und Verlagen stärkt das gesamte Ökosystem

Kritik und Konstruktive Lösungsansätze

Die Grenzen des VG Wort-Modells

Kritiker wenden ein, dass die aktuelle VG Wort-Lizenz nur unternehmensinterne KI-Anwendungen abdeckt und öffentlich zugängliche KI-Services wie ChatGPT oder Google AI Overviews explizit ausschließt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Konkrete Forderungen an die Politik

  1. Erweiterung der Schrankenregelungen: Klarstellung, dass kommerzielles KI-Training nicht unter Text-und-Data-Mining fällt
  2. Maschinenlesbare Lizenzmodelle: Standards für KI-Crawler und semantisches Rewriting
  3. Pflichtabgaben für kommerzielle KI-Anbieter: Nach dem Vorbild der Geräteabgabe für Kopierer
  4. Transparenzpflichten: Offenlegung verwendeter Trainingsdaten und Quellen

SEO-Strategien für die KI-Ära

Während auf politische Lösungen gewartet wird, müssen Publisher strategisch umdenken:

Direkter Nutzerzugang statt Google-Abhängigkeit

  • Newsletter-Marketing für direkten Kontakt zu Lesern
  • Community-Building auf eigenen Plattformen
  • Kooperationen mit KI-Anbietern auf Augenhöhe
  • Premium-Content jenseits der Reach-Optimierung

Technische Maßnahmen

Publisher können bereits heute aktiv werden:

  • Robots.txt-Anpassungen zum Ausschluss von KI-Crawlern
  • Strukturierte Daten für bessere Quellenattribution
  • Grounding Links in AI Overviews als neue Traffic-Quelle nutzen

Wirtschaftliche Realitäten: Mehr als nur Traffic-Verlust

Die Auswirkungen von AI Overviews gehen weit über entgangene Klicks hinaus. Content dient zugleich zur Optimierung maschineller Antwortmodelle und wird damit zum kostenlosen Rohstoff für neue KI-Anwendungen – ohne Beteiligung der originären Produzenten an der Wertschöpfung.

Besonders betroffen: Kleinere Publisher

Während große Medienkonzerne direkte Deals mit KI-Anbietern aushandeln können, fehlen kleineren Publishern und freien Autoren die Verhandlungsmacht. Hier zeigt das VG Wort-Modell seine Stärke: Kollektive Rechtewahrnehmung schafft Verhandlungsmacht auch für kleinere Akteure.

Ausblick: Digitale Gerechtigkeit als Zukunftsaufgabe

Die Einführung von Google AI Overviews in Deutschland markiert einen Wendepunkt in der digitalen Wertschöpfung. Erstmals wird deutlich sichtbar, wie KI-Systeme journalistische Inhalte kommerziell verwerten, ohne faire Vergütung zu zahlen.

Internationale Signalwirkung

Deutschland hat mit der VG Wort-Initiative international Pionierarbeit geleistet. Nun gilt es, diesen Ansatz auf kommerzielle KI-Anbieter auszuweiten und europaweit zu harmonisieren.

Call-to-Action für die Branche

  • Publisher sollten sich über VG Wort-Mitgliedschaft und neue KI-Lizenzen informieren
  • Politiker müssen rechtliche Rahmenbedingungen für faire KI-Vergütung schaffen
  • KI-Anbieter sind gefordert, proaktiv Lizenzmodelle zu entwickeln

Fazit: Zeit für faire KI-Vergütung

Google AI Overviews sind Realität – in Deutschland seit März 2025, weltweit bereits seit 2024. Die Technologie lässt sich nicht mehr aufhalten, aber ihre kommerziellen Auswirkungen müssen fair geregelt werden.

Die VG Wort hat mit ihrer neuen KI-Lizenz bewiesen, dass faire Vergütung möglich ist. Jetzt liegt es an der Politik, diese Prinzipien auf alle kommerziellen KI-Anbieter auszuweiten. Denn eines ist klar: Wer mit fremdem Content Geld verdient, muss die Urheber fair vergüten – das gilt in der analogen wie in der digitalen Welt.

Die Alternative wäre eine digitale Enteignung, die langfristig die Vielfalt und Qualität journalistischer Inhalte bedroht. Das kann und darf nicht das Ziel einer fortschrittlichen Digitalgesellschaft sein.