Digitale Unabhängigkeit: 10 Alternativen zu US-Diensten mit Augenzwinkern

07.04.2025
von Jörg Schieb

In einer Welt, in der US-Tech-Giganten unseren digitalen Alltag dominieren, ist die Suche nach Alternativen wichtiger denn je. Hier kommt ein Streifzug durch die Möglichkeiten, wie du deinen digitalen Fußabdruck jenseits der amerikanischen Datenkraken gestalten kannst – ganz ohne Aluhut, aber mit einem Augenzwinkern und konkreten Handlungsempfehlungen.

1. E-Mail: Aus der Gmail-Falle ausbrechen

Während Google deine E-Mails durchforstet, um dir passende Werbung für den Hochzeitsring zu zeigen, den du deiner Partnerin schenken willst (Überraschung gelungen!), gibt es durchaus Alternativen, die deine Privatsphäre respektieren.

Tutanota aus Deutschland bietet Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit einem intuitiven Interface und kostenlosen Basiskonten. Das deutsche Unternehmen unterliegt den strengen europäischen Datenschutzgesetzen und speichert seine Server ausschließlich in Deutschland.

ProtonMail aus der Schweiz ist der Klassiker unter den sicheren Mail-Anbietern. Die Schweizer Diskretion – nicht nur für Bankkonten! – kommt hier mit modernster Verschlüsselungstechnologie. Besonders praktisch: Du kannst auch an normale E-Mail-Adressen verschlüsselt schreiben.

Posteo ist ein weiterer deutscher Anbieter, der besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Datenschutz legt. Für nur 1€ im Monat bekommst du hier ein werbefreies Postfach und unterstützt gleichzeitig ökologische Projekte.

Briefumschläge braucht man heute kaum noch
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2. Suchmaschinen: Jenseits von Google

Wer bei Google sucht, hinterlässt digitale Fußspuren, die in deinem Nutzerprofil landen. Alternativen gibt es zahlreiche:

Qwant aus Frankreich beweist europäischen Innovationsgeist. Die Suchmaschine speichert weder deine IP-Adresse noch deine Suchanfragen und erstellt keine persönlichen Profile. Das Interface ähnelt Google, was den Umstieg erleichtert.

Ecosia nutzt die Einnahmen aus Suchanfragen, um weltweit Bäume zu pflanzen – über 150 Millionen bisher! Der Service basiert zwar auf Bing, anonymisiert aber deine Suchanfragen und verwandelt sie in Umweltschutz.

MetaGer ist eine deutsche Meta-Suchmaschine, die Ergebnisse aus verschiedenen Quellen kombiniert und dabei deine Privatsphäre schützt. Du kannst sogar anonym über einen eigenen Proxy-Server surfen.

Natürlich musst du dich daran gewöhnen, dass nicht jede Suche so perfekt ist wie bei Google – aber hey, manchmal ist es wie bei einem Überraschungsei: Man weiß nie genau, was drin ist, aber die Vorfreude ist groß!

3. Cloud-Speicher: Jenseits der US-Wolken

Deine Dateien in der Cloud von Google oder Microsoft? Das bedeutet, dass deine privaten Dokumente auf amerikanischen Servern liegen, die dem US CLOUD Act unterliegen.

Nextcloud ist die europäische Open-Source-Alternative, die du sogar auf deinem eigenen Server hosten kannst. Das ist ein bisschen so, als würdest du dein Geld nicht mehr zur Bank bringen, sondern unter der eigenen Matratze verstecken – nur eben digital und ohne Rückenschmerzen. Nextcloud bietet nicht nur Speicherplatz, sondern auch Kalender, Kontakte und sogar Videokonferenzen.

Tresorit aus der Schweiz und Ungarn bietet „Zero-Knowledge“-Verschlüsselung: Selbst die Betreiber haben keinen Zugriff auf deine Daten. Der Service ist zwar kostenpflichtig, aber dafür bekommst du Schweizer Qualität mit europäischem Datenschutz.

pCloud mit Hauptsitz in der Schweiz bietet eine interessante Option: Du kannst zwischen US- und EU-Servern wählen und einmalige Lifetime-Zahlungen statt Abos abschließen. Für besonders sensible Daten gibt es den „pCloud Crypto“-Ordner mit zusätzlicher Verschlüsselung.

Buchhaltung in der Cloud kann viel Zeit und Papier sparen
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4. Messenger: Datensichere Kommunikation

WhatsApp gehört zu Meta (ehemals Facebook) – genug gesagt? Jede Nachricht, jedes Foto und jeder Standort, den du teilst, füttert potentiell die Algorithmen des Konzerns.

Signal ist der Gold-Standard für sichere Kommunikation. Die App wurde vom Krypto-Experten Moxie Marlinspike entwickelt und sogar von Edward Snowden empfohlen. Sie bietet Schweizer Präzision in Sachen Verschlüsselung und ist gleichzeitig einfach zu bedienen. Besonders praktisch: Du kannst Signal auch als SMS-App nutzen.

Element mit dem Matrix-Protokoll ist für die Technikaffinen unter euch. Das dezentrale System erlaubt es, eigene Server zu betreiben und trotzdem mit allen anderen Matrix-Nutzern zu kommunizieren – ein bisschen wie E-Mail, nur für Chats. Unternehmen wie die Bundeswehr oder die französische Regierung nutzen Matrix bereits.

Threema aus der Schweiz bietet den Vorteil, dass du keine Telefonnummer angeben musst. Du kannst die App anonym nutzen und trotzdem alle Features genießen. Einziger Nachteil: Die App kostet einmalig etwa 4€, aber dafür ohne Abo-Modell.

5. Videocalls: Zoom den Rücken kehren

Für viele wurde Zoom während der Pandemie zum Standard, doch die Datenschutzprobleme des US-Dienstes sind gut dokumentiert. Zeit für Alternativen:

Jitsi Meet ist die Open-Source-Alternative, bei der du nicht befürchten musst, dass dein Schlafzimmer im Hintergrund in irgendeiner Datenbank in Kalifornien landet. Die Software ist kostenlos, quelloffen und kann auf eigenen Servern gehostet werden. Perfekt für alle, die beim nächsten Familien-Videocall nicht möchten, dass Silicon Valley mitfeiert! Besonders praktisch: Du brauchst keine Anmeldung und kannst direkt im Browser starten.

BigBlueButton wurde speziell für Bildungseinrichtungen entwickelt und bietet umfangreiche Funktionen für virtuelle Klassenzimmer. Viele deutsche Universitäten und Schulen nutzen dieses System bereits.

Auch Nextcloud Talk ist eine Alternative, die du direkt in deiner Nextcloud-Instanz nutzen kannst – praktisch, wenn du bereits auf Nextcloud setzt.

Youtube hat ein riesiges Angebot an kurzen und langen Videos
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6. Online-Shopping: Amazon-Entzug

Amazons Monopolstellung macht selbst Jeff Bezos‘ Ex-Frau zur Multimilliardärin. Zeit für Alternativen, die nicht jeden Klick in deinem Kaufverhalten analysieren:

Lokale Online-Shops: Viele kleine Läden vor Ort haben mittlerweile eigene Online-Shops. Ein Blick auf die Website deines Lieblingsbuchladens oder -geschäfts lohnt sich! Plattformen wie Atalanda verbinden lokale Händler in digitalen Marktplätzen.

Idealo und Geizhals helfen dir, Produkte bei verschiedenen Händlern zu vergleichen und die beste Alternative zu finden – oft günstiger als bei Amazon.

OTTO und Zalando mögen zwar keine kleinen Unternehmen sein, bieten aber europäische Alternativen mit besseren Arbeitsbedingungen als in den Amazon-Lagerhallen.

Branchenspezifische Shops wie Thalia oder Buecher.de für Bücher, Thomann für Musikinstrumente oder DocMorris für Apothekenartikel bieten oft besseren Service und Fachberatung als der Alles-Händler.

Ja, vielleicht kommt die Lieferung einen Tag später – aber dafür musst du nicht das schlechte Gewissen ertragen, dass dein Paketbote unter Zeitdruck im Lieferwagen eine Flasche füllen muss.

7. Betriebssysteme: Windows den Rücken kehren

Windows 10 und 11 sammeln umfangreiche Telemetriedaten – Zeit für Alternativen, die deine Privatsphäre respektieren:

Linux mit benutzerfreundlichen Distributionen wie Ubuntu, Linux Mint oder Elementary OS bietet eine vollwertige Alternative. Klar, die Eingewöhnung dauert – aber es ist ein bisschen wie beim Umstieg vom Auto aufs Fahrrad: anfangs ungewohnt, langfristig aber gesünder für alle Beteiligten. Die meisten gängigen Programme gibt es mittlerweile auch für Linux, von Office-Software (LibreOffice) bis zu Kreativtools (GIMP statt Photoshop).

Tails OS ist ein spezielles Linux-System für maximale Privatsphäre. Du kannst es von einem USB-Stick starten, ohne es zu installieren – perfekt für öffentliche Computer oder wenn du besonders anonym bleiben möchtest.

Für Mac-Nutzer: Auch wenn Apple kein europäisches Unternehmen ist, bietet es zumindest besseren Datenschutz als Microsoft. Mit Little Snitch eines österreichischen Entwicklers kannst du zudem kontrollieren, welche Verbindungen dein Mac aufbaut.

Und wer wirklich nicht verzichten kann, darf Windows ja in einer virtuellen Maschine mit VirtualBox weiterlaufen lassen – sozusagen als digitales Haustier in einem sicheren Käfig.

8. Streaming: Jenseits von Netflix & Co.

Die großen US-Streaming-Dienste sammeln detaillierte Daten über dein Sehverhalten. Europäische Alternativen bieten oft qualitativ hochwertigere Inhalte:

ARTE+ bietet hervorragende Dokumentationen, Filme und Kulturprogramme – komplett kostenlos und mit Apps für alle Geräte. Der deutsch-französische Sender hat sein Angebot in den letzten Jahren massiv ausgebaut.

Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender enthalten mittlerweile tausende Stunden an Inhalten, von Nachrichten über Dokumentationen bis zu Filmen und Serien – alles werbefrei und ohne Tracking.

MUBI ist ein Streamingdienst für Filmliebhaber mit kuratierter Auswahl an Arthouse- und Klassiker-Filmen. Jeden Tag kommt ein neuer Film ins Programm, jeden Tag verschwindet einer – ein Gegenentwurf zur Überflutung bei Netflix.

Filmfriend ist ein kostenloser Service deutscher Bibliotheken mit hochwertigen Filmen und Dokumentationen. Alles, was du brauchst, ist ein Bibliotheksausweis.

Die Auswahl mag kleiner sein, dafür gibt es mehr Arthouse und weniger algorithmusgesteuerte Empfehlungen, die dich nach drei Folgen „Tiger King“ zum Katzenfutter-Großabnehmer machen wollen.

Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender haben interessante Angebote
Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender haben interessante Angebote

9. KI-Chatbots: Die europäische Antwort auf ChatGPT

Während ChatGPT deine Anfragen durch amerikanische Server schickt, entwickelt Europa eigene KI-Lösungen:

Mistral AI aus Frankreich ist das europäische KI-Startup, das mit beeindruckender Geschwindigkeit aufholt. Mit der Flux-Plattform von Mistral kannst du einen KI-Assistenten nutzen, der deine Daten nicht für das Training weiterer Modelle verwendet. Die Open-Source-Modelle von Mistral können sogar lokal auf deinem Rechner laufen.

Aleph Alpha aus Heidelberg entwickelt mehrsprachige KI-Modelle mit besonderem Fokus auf Vertrauenswürdigkeit und Transparenz. Ihr Luminous KI-System wird bereits in deutschen Behörden eingesetzt.

Mit LocalAI kannst du open-source Modelle wie Mistral auch direkt auf deinem eigenen Rechner betreiben – komplett ohne Internetverbindung. Zwar benötigst du dafür etwas technisches Know-how, aber die Privatsphäre ist garantiert.

Hugging Face ist zwar ein US-Unternehmen, bietet aber eine Plattform für zahlreiche europäische Open-Source-KI-Modelle, die du selbst hosten kannst.

Die Antworten mögen manchmal nicht ganz so poliert sein wie bei OpenAI, aber dafür mit europäischem Datenschutz und einer Prise französischen Charmes.

Mistral: Kostenlos und schnell
Mistral: Kostenlos und schnell

10. Soziale Netzwerke: Leben ohne Meta

Facebook, Instagram und Twitter sind fest in US-Hand. Das Fediverse bietet dezentrale Alternativen:

Mastodon ist die bekannteste Twitter-Alternative im Fediverse. Statt eines zentralen Dienstes gibt es tausende „Instanzen“, die miteinander kommunizieren können. Du kannst dir eine Instanz nach deinen Interessen aussuchen (z.B. mastodon.social als allgemeine Instanz oder spezialisierte Server wie climatejustice.social für Klimaaktivismus) oder sogar deine eigene aufsetzen.

Pixelfed ist die dezentrale Instagram-Alternative ohne Algorithmen und Werbung. Fotografie steht im Mittelpunkt, nicht die Datensammlung.

PeerTube bietet eine Alternative zu YouTube. Videos werden dezentral gespeichert und die Plattform verzichtet auf Tracking und personalisierte Werbung.

Friendica ähnelt am ehesten Facebook mit seinen umfangreichen sozialen Funktionen und kann sich mit anderen Fediverse-Diensten verbinden.

Stell dir vor, du könntest deine Urlaubsfotos teilen, ohne dass Facebooks Algorithmen sofort wissen, welche Sonnencreme du im nächsten Urlaub brauchen wirst. Der Nachteil: Du musst deine Tante Gertrud überzeugen, auch zu wechseln, wenn du ihre Katzenbilder nicht verpassen willst.

Fazit: Digitale Souveränität mit Realismus

Den kompletten Ausstieg aus der US-Technik zu schaffen, ist natürlich eine Herausforderung – ein bisschen wie der Versuch, in Deutschland ein gutes mexikanisches Restaurant zu finden. Aber jeder kleine Schritt zählt! Selbst wenn du nur bei einem Dienst wechselst, hast du bereits ein Stück digitale Souveränität zurückgewonnen.

Beginne mit dem, was dir am wichtigsten ist – vielleicht deinen E-Mails oder deinem Messenger – und arbeite dich langsam vor. Du musst nicht alles auf einmal umstellen. Wie bei einer Diät sind radikale Änderungen selten nachhaltig; besser ist es, langfristig Gewohnheiten zu ändern.

Die gute Nachricht: Europa holt auf. Mit der DSGVO, dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act gibt es endlich Regeln, die auch die Tech-Giganten einhalten müssen. Diese Gesetze zwingen selbst die größten Unternehmen, ihre Geschäftspraktiken zu überdenken.

Bis dahin gilt: Jede Alternative, die du nutzt, ist ein kleiner Sieg für die digitale Selbstbestimmung – und vielleicht entdeckst du dabei sogar neue Dienste, die besser zu deinen Bedürfnissen passen als die amerikanischen One-Size-Fits-All-Lösungen. Nicht jeder braucht ein smartes Thermostat, das mit der Cloud spricht, oder eine Sprachassistentin, die jedes Wort mithört.

Digitale Souveränität bedeutet letztlich, selbst zu entscheiden, welche Technologien du nutzt – und nicht umgekehrt. In diesem Sinne: Viel Erfolg auf deinem Weg zu mehr digitaler Unabhängigkeit!