Warum die KI-Revolution Europas noch nicht erreicht hat

31.10.2024
von Jörg Schieb

Europa bleibt außen vor, während die KI-Welt auf Hochtouren läuft: Apple, Google und Meta zögern, ihre neuesten Innovationen in die EU zu bringen. Der Grund? Europas strikte Regulierung. Warum der technologische Vorsprung derzeit an Europa vorbeizieht und welche Rolle Datenschutz und Transparenz dabei spielen.

Künstliche Intelligenz verändert die Welt – in Amerika und Asien längst Alltag, in Europa aber oft nur eine Vision. Apple, Google und Meta halten ihre innovativsten Funktionen vorerst zurück, um teure Konflikte mit der EU zu vermeiden. Bleibt die Frage: Bremst Europa seine digitale Zukunft aus, oder sichert es langfristig den Schutz der eigenen Nutzer?

Künstliche Intelligenz (KI) treibt Innovationen weltweit rasant voran und prägt unseren Alltag immer stärker. Während in den USA und Asien bereits viele KI-gestützte Anwendungen verfügbar sind, bleibt Europa oft in der Warteschleife.

Ein aktuelles Beispiel zeigt sich bei Apple: Der Tech-Gigant hat seine neuen „Apple Intelligence“-Funktionen vorgestellt, die KI direkt in iPhones und MacBooks integrieren – aber eben nicht in Europa.

Und Apple ist nicht allein: Auch Meta und Google zögern, ihre neuesten KI-Features für die EU-Nutzer freizugeben. Liegt das wirklich an Europas strenger Regulierung? Ein Blick auf die Gründe hinter diesem Trend zeigt, warum europäische Nutzer oft länger auf KI-Innovationen warten müssen.

Apples KI kann direkt in den Apps Texte zusammenfassen, umschreiben oder Inhalte zusammenfassen
Apples KI kann direkt in den Apps Texte zusammenfassen, umschreiben oder Inhalte zusammenfassen

Apples „Apple Intelligence“: Was die neuen KI-Funktionen können

Seit kurzem bietet Apple seine neuen „Apple Intelligence“-Funktionen an – allerdings bisher nur in den USA. Die KI-Funktionen sind tief ins Betriebssystem integriert und laufen teilweise direkt auf den Geräten selbst. Das bedeutet: Viele Aufgaben, die KI übernimmt, können ohne Datenaustausch mit Rechenzentren erledigt werden, was Datenschutzbedenken mindert. Die Anwendungsbereiche sind beeindruckend vielseitig:

  • Textverarbeitung: In Apps wie Mail, Messages oder Notizen hilft die KI beim Schreiben, Korrigieren und Zusammenfassen von Texten. E-Mails werden automatisch kategorisiert und wichtige Nachrichten hervorgehoben. Auch längere E-Mail-Verläufe können zusammengefasst und kontextbezogene Antworten vorgeschlagen werden.
  • Fotobearbeitung und Sprachsuche: Fotos lassen sich per Sprache durchsuchen, unerwünschte Objekte werden intelligent entfernt. Es ist sogar möglich, personalisierte Videos durch einfache Textbefehle zu erstellen.
  • Sprachassistent Siri: Siri kann jetzt zusammenhängende Befehle besser verstehen und zwischen Text- und Spracheingaben nahtlos wechseln.

Diese Funktionen stehen jedoch nur in den USA zur Verfügung und nur für Geräte, die US-englische Spracheinstellungen verwenden. Doch warum diese Einschränkung?

Warum die EU von Apples KI-Innovationen ausgeschlossen bleibt

Die Gründe liegen vor allem in Europas regulatorischem Umfeld. Die EU hat einige der strengsten KI-Regulierungen weltweit eingeführt, die große Herausforderungen für Unternehmen wie Apple, Google und Meta darstellen.

  1. Der „AI Act“ der EU: Diese Verordnung verlangt von Unternehmen eine beispiellose Transparenz. Jedes KI-Modell muss dokumentiert, jede Datenquelle offengelegt und jede Entscheidung nachvollziehbar sein. Apple müsste also offenlegen, wie seine Algorithmen funktionieren und auf welche Daten sie zugreifen. Das widerspricht jedoch oft dem Geschäftsmodell der Tech-Riesen, die ihre KI-Technologie und Trainingsmethoden als wertvolle Betriebsgeheimnisse betrachten.
  2. Digital Services Act: Diese Richtlinie legt fest, dass Unternehmen Nutzern Wahlfreiheit geben müssen, welche Dienste sie auf ihrem Gerät verwenden wollen. Für Apple bedeutet das möglicherweise, dass sie alternative KI-Dienste zulassen müssten – ähnlich wie bei Browsern. Diese Vorgabe gilt allerdings nur für das iPhone, da Apple dort als „Gatekeeper“ eingestuft wird. Für Mac-Computer hingegen gelten diese Regeln nicht. Daher könnten einige Funktionen möglicherweise schneller für Macs verfügbar sein als für iPhones.

Angesichts dieser hohen Auflagen und potenzieller Milliardenstrafen ist Apple vorsichtig und verzögert den EU-Start seiner KI-Dienste. Der Konzern steht bereits in Gesprächen mit der EU, um die rechtlichen Fragen zu klären und vielleicht doch bald Lösungen anzubieten.

Die EU reguliert die digitalen Märkte und den Einsatz von KI sehr streng
Die EU reguliert die digitalen Märkte und den Einsatz von KI sehr streng

Meta und Google: Dieselbe Zurückhaltung aus ähnlichen Gründen

Es sind nicht nur die neuen Regeln der EU, die für Verzögerungen sorgen. Auch kulturelle und technologische Unterschiede stellen die Unternehmen vor Herausforderungen. Europäische Nutzer erwarten KI-Systeme, die ihre Werte respektieren und an ihre Lebensgewohnheiten angepasst sind. Doch KI-Modelle, die in den USA entwickelt wurden, berücksichtigen diese oft nur unzureichend. Auch hier spielt die EU-Verordnung eine Rolle:

  1. Transparenz und Datenschutz: Die EU verlangt von den Unternehmen, dass ihre KI-Systeme transparente Entscheidungen treffen und Datennutzung nachvollziehbar bleibt. Doch viele der Trainingsdaten stammen aus den USA und reflektieren amerikanische Perspektiven und Standards, was in der EU nicht immer konform ist.
  2. Wertkonflikte und kulturelle Anpassung: Um europäische Werte zu respektieren, müssten KI-Systeme, die etwa auf Kommunikation oder Bildinterpretation basieren, anders trainiert werden. Hinzu kommt, dass europäische Nutzer keine persönlichen Daten für das Training zur Verfügung stellen wollen. Da KI-Modelle aber oft auf große Datenmengen angewiesen sind, um präzise und personalisierte Ergebnisse zu liefern, führt das zu einem Dilemma: Entweder wird die Qualität der KI eingeschränkt, oder die Konzerne müssen in Zukunft alternative datenschutzkonforme Trainingsmethoden entwickeln.

Wie die KI-Suche das Internet verändert

Die Entwicklungen in der KI-Welt beeinflussen auch die Art und Weise, wie wir online suchen. Unternehmen wie OpenAI, das hinter ChatGPT steht, arbeiten an einer KI-gestützten Suchfunktion für das Internet. Auch Meta entwickelt eigene KI-basierte Suchlösungen, die nicht auf klassischen Keywords beruhen, sondern auf Nutzerdaten basieren. Das Ergebnis könnte eine persönliche Sucherfahrung sein, bei der jeder Nutzer seinen eigenen „Suchagenten“ hat, der Ergebnisse nach individuellen Vorlieben filtert und präsentiert.

Für Google stellt dies eine Bedrohung seines bisherigen Geschäftsmodells dar, da die klassische Keyword-basierte Suche durch persönliche KI-Assistenten ersetzt werden könnte. Meta wiederum kann dabei auf die Daten von Milliarden von Nutzerinteraktionen zurückgreifen und personalisierte Empfehlungen generieren. Dies zeigt: Die Zukunft der Suche im Internet wird maßgeblich von Künstlicher Intelligenz beeinflusst werden.

Fazit: Europäische Regulierung versus KI-Innovation

Europas strenge KI-Regulierungen schützen zwar die Nutzer, doch sie verlangsamen auch die Einführung von KI-basierten Innovationen. Die Herausforderung für die EU besteht darin, eine Balance zu finden: Die Privatsphäre der Nutzer zu wahren, ohne Europa von der rasanten Entwicklung der KI-Technologie abzuhängen.

Die Frage bleibt offen, ob Europa datenschutzfreundliche Trainingsmethoden entwickeln kann, die KI-Anwendungen auf lokaler Ebene verbessern und trotzdem den Anforderungen der EU-Verordnungen gerecht werden.