KI oder Suchmaschine: Was ist die richtige Wahl?

09.04.2025
von Jörg Schieb

Die digitale Wissensbeschaffung steht am Scheideweg – und unsere Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen

„Wie koche ich ein perfektes Ei?“ – Für solche alltäglichen Fragen greifen heute Millionen Menschen reflexartig zu Google. Doch seit ChatGPT, Claude und Co. auf dem Spielfeld sind, ändert sich dieses Verhalten drastisch. Plötzlich stehen wir vor einer Grundsatzentscheidung: Suchmaschine oder KI-Chatbot?

Diese Frage ist weit mehr als eine technische Spielerei – sie hat tiefgreifende Auswirkungen auf unseren Umgang mit Wissen, unseren ökologischen Fußabdruck und sogar auf die Machtverteilung im digitalen Raum. Zeit für eine fundierte Analyse.

Google hat die „Übersicht KI“ eingeführt: KI-Antworten neben den üblichen Treffern

Unterschiedliche Werkzeuge, unterschiedliche Stärken

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Suchmaschinen und KI-Chatbots funktionieren grundlegend verschieden.

Die klassische Suchmaschine findet Links zu Webseiten, die zu Ihren Suchbegriffen passen. Sie indexiert das aktuelle Internet und liefert eine Auswahl an Quellen – mit Ihnen als Schiedsrichter, welcher Quelle Sie vertrauen. Google und Co. zeigen Ihnen den Weg zum Wissen, gehen ihn aber nicht für Sie.

Der KI-Chatbot hingegen formuliert direkt eine komplette Antwort in ganzen, flüssigen Sätzen. Er fasst zusammen, gewichtet, formuliert um und präsentiert eine scheinbar fertige Lösung. Das spart Zeit, verlagert aber auch die Bewertung dessen, was wichtig ist, auf die Maschine.

Ein kritischer Unterschied liegt zudem in der Aktualität: Google durchsucht das aktuelle Netz, während viele KI-Modelle auf Trainingsdaten zugreifen, die Monate alt sein können. Bei tagesaktuellen Informationen hat die klassische Suche daher oft die Nase vorn.

Der ökologische Preis unserer digitalen Helfer

Ein Aspekt, der in der Euphorie um künstliche Intelligenz oft untergeht: Der immense Energiehunger dieser Systeme.

Die Zahlen sind ernüchternd. Eine klassische Google-Suche verursacht im Schnitt rund 0,3 Gramm CO₂. Eine KI-Anfrage – je nach Modell, Komplexität und Serverauslastung – kann das 10- bis 20-Fache kosten, also 2 bis 6 Gramm CO₂ pro Anfrage.

Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Benziner stößt auf einem Kilometer Fahrt etwa 120 Gramm CO₂ aus. Das heißt: 30 KI-Anfragen können so viel Energie kosten wie ein Kilometer Autofahren.

Und das Problem wächst. Allein ChatGPT zählt täglich Hunderte Millionen Anfragen. Wenn der Trend anhält und immer mehr Suchanfragen über KI verarbeitet werden, steht uns eine Explosion des Energiebedarfs bevor.

Die Forschung arbeitet zwar intensiv an Lösungen:

  • Effizienteren Modellen
  • Spezialisierten Chips
  • Lokal laufenden Miniversionen
  • Hybriden Systemen, die KI nur bei Bedarf zuschalten

Doch Stand heute gilt: KI ist zwar oft hilfreich – aber auch enorm energiehungrig. Eine Tatsache, die bei der Entscheidung zwischen Google und ChatGPT durchaus Gewicht haben sollte.

Claude: Chatbot ermöglicht verschiedene Sprachstile

Objektivität und Quellenvielfalt

Bei der Bewertung von Informationen ist Quellenvielfalt ein hohes Gut. Hier zeigen sich weitere Unterschiede:

Suchmaschinen präsentieren verschiedene Quellen – Sie sehen diverse Perspektiven und können selbst abwägen. KI-Modelle liefern hingegen oft eine einzelne, scheinbar ausgewogene Antwort – der Abwägungsprozess bleibt unsichtbar.

KI-Modelle basieren auf riesigen Mengen Text – von wissenschaftlichen Artikeln über Wikipedia bis hin zu Onlineforen. Dieses Wissen ist jedoch nicht neutral. Forschende sprechen vom „Stochastic Parrot“-Effekt: KIs plappern nach, was in den Daten häufig vorkommt – unabhängig davon, ob es korrekt, fair oder vollständig ist.

Zudem zeigen Studien: Menschen hinterfragen KI-Antworten seltener als Google-Ergebnisse. Die scheinbare Autorität der Maschine führt dazu, dass wir ihre Aussagen als „wahr“ akzeptieren – ein gefährlicher psychologischer Effekt.

Datenschutz: Wem vertrauen wir unsere Fragen an?

Google verfolgt uns quer durchs Netz – über Chrome, Android, YouTube und mehr. Der Konzern kennt unser Surfverhalten, unsere Interessen und oft unseren Standort.

KI-Anbieter wie OpenAI bekommen hingegen unsere konkreten Fragen – und die sind oft persönlicher Natur. Fragen zu Gesundheitssymptomen, beruflichen Problemen oder privaten Dilemmas erzeugen ein sehr intimes Profil. Ob und wie diese Daten gespeichert und analysiert werden, hängt vom Anbieter ab.

Bei der Wahl zwischen KI und Suchmaschine entscheiden wir also auch, wem wir welche Art von Daten anvertrauen.

Die gesellschaftlichen Folgen unserer Wahl

Denken wir das Szenario zu Ende: Was passiert, wenn KI zum Standard der Informationsbeschaffung wird?

Dann würden einige wenige Unternehmen – OpenAI, Google, Microsoft – entscheiden, was wir sehen und wissen. Jedes dieser Unternehmen hat eigene Interessen, politische Filter und wirtschaftliche Ziele.

Es droht eine KI-Monokultur, in der unsere Sicht auf die Welt durch wenige Algorithmen gefiltert wird – ohne dass wir die Quellen prüfen können oder unterschiedliche Perspektiven wahrnehmen.

Die pragmatische Lösung: Bewusste Wahl statt Entweder-Oder

Beides hat seinen Platz – und wir sollten bewusst wählen:

  • Für schnelle Überblicke, strukturierte Anleitungen oder kreative Aufgaben ist die KI unschlagbar.
  • Für tiefergehende Recherchen, Quellenvielfalt und aktuelle Informationen bleibt die klassische Suche überlegen.

Ideal sind Kombinationsansätze wie Perplexity.ai, die KI-Antworten mit Quellenangaben verbinden. Oder nutzen Sie verschiedene KI-Modelle parallel, um Perspektiven zu vergleichen.

Die wichtigste Fähigkeit der digitalen Zukunft wird nicht die Bedienung von KI sein – sondern das kritische Hinterfragen ihrer Antworten. Diese neue Kulturtechnik müssen wir erst entwickeln.


Die Debatte „KI oder Suchmaschine?“ geht weit über persönliche Vorlieben hinaus. Sie berührt Fragen des Energieverbrauchs, der Informationsvielfalt und der digitalen Souveränität. Unsere alltäglichen Entscheidungen zwischen ChatGPT und Google prägen letztlich die Informationslandschaft von morgen – und damit auch unser gemeinsames Wissen.

Eine bewusste Nutzung beider Technologien – mit Verständnis ihrer jeweiligen Stärken und Grenzen – scheint der klügste Weg durch die digitale Wissenslandschaft zu sein.

Wie nutzt ihr KI und Suchmaschinen? Teilt eure Erfahrungen und Strategien in den Kommentaren!