Australien verbietet Social Media für Jugendliche – Kommt das auch zu uns?

29.11.2024
von Jörg Schieb

Ein radikaler Schritt sorgt für Schlagzeilen: Australien will Jugendlichen unter 16 Jahren den Zugang zu Social-Media-Plattformen verwehren. Doch ist das der richtige Weg? Und wie weit sind wir in Deutschland und Europa bei diesem Thema?

Soziale Medien stehen immer wieder in der Kritik: gefährliche Challenges, ungesundes Körperbild, Cybermobbing. Australien zieht jetzt drastische Konsequenzen und plant, die Nutzung sozialer Netzwerke für Jugendliche unter 16 Jahren zu verbieten. Dieser Vorstoß wirft viele Fragen auf: Wie wird das Alter verifiziert? Welche Rolle spielen Tech-Konzerne? Und was können Deutschland und Europa von diesem Ansatz lernen? In diesem Blogpost werfen wir einen Blick auf die Hintergründe, den Status quo und mögliche Lösungen.

Wenn Kids ein Smartphone nutzen, haben Eltern jede Kontrolle verloren

Warum Australien diesen drastischen Schritt geht

Australien macht Ernst: Ab dem kommenden Jahr sollen Social-Media-Plattformen wie TikTok, Instagram und Snapchat für Jugendliche unter 16 Jahren gesperrt werden. Das Ziel? Junge Menschen vor gefährlichen Inhalten und den negativen Auswirkungen der sozialen Medien zu schützen.

Laut Studien haben fast zwei Drittel der australischen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren bereits verstörende Inhalte gesehen – von Gewaltvideos über Drogenmissbrauch bis hin zu Anleitungen zur Selbstverletzung. Besonders alarmierend: Gefährliche Challenges und der verstärkte Druck durch unrealistische Schönheitsideale setzen vor allem junge Mädchen stark unter Druck. Das Ergebnis? Ein besorgniserregender Anstieg von Depressionen, Essstörungen und Angstzuständen.

Hinzu kommt der Vorwurf, dass Plattformen bewusst suchterzeugende Mechanismen nutzen, um Nutzer – auch Kinder – möglichst lange zu binden. Diese Kritik erhielt durch die Whistleblowerin Frances Haugen besonderes Gewicht, die aufdeckte, dass Meta schädliche Inhalte bewusst toleriert und teilweise verstärkt.

Wie will Australien das Alter kontrollieren?

Ein Verbot allein reicht nicht aus – die australische Regierung setzt deshalb auf innovative Technologien und strenge Vorschriften. Die Plattformbetreiber selbst werden verpflichtet, Altersverifikationssysteme einzuführen.

Technische Lösungen in der Diskussion

1. Biometrische Alterserkennung:

Instagram testet bereits das System “Yoti”, bei dem eine KI das Alter eines Nutzers anhand eines Selfie-Videos schätzt. Wird das Mindestalter nicht eindeutig nachgewiesen, sind weitere Nachweise nötig.

2. Dokumentenprüfung:

Eine Verknüpfung mit staatlichen Ausweisdokumenten oder Schulregistrierungen wird ebenfalls diskutiert. Alternativ könnten Banken in den Verifizierungsprozess eingebunden werden.

Strenge Strafen als Druckmittel

Um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden, drohen empfindliche Strafen: Plattformen, die gegen die Vorgaben verstoßen, müssen mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen australischen Dollar (ca. 30 Millionen Euro) rechnen. Begleitet wird das Ganze von einem wissenschaftlichen Beirat, der die Wirksamkeit der Maßnahmen regelmäßig überprüft.

Wie sieht die Situation in Deutschland und Europa aus?

In Deutschland und Europa ist die rechtliche Lage weitaus weniger strikt. Obwohl soziale Netzwerke in ihren Nutzungsbedingungen oft ein Mindestalter von 13 Jahren festlegen, wird dies in der Praxis kaum überprüft. Kinder können problemlos falsche Geburtsdaten angeben, ohne dass eine ernsthafte Alterskontrolle erfolgt.

Regelungen auf dem Papier

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schreibt zwar vor, dass Jugendliche unter 16 Jahren die Zustimmung ihrer Eltern zur Datenverarbeitung einholen müssen. Doch diese Vorgabe wird selten umgesetzt.

Auch das Jugendschutzgesetz und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag enthalten Vorschriften, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen verbessern sollen. Aber: Bei sozialen Medien greifen diese Regelungen nur bedingt.

Der Digital Services Act als Hoffnungsschimmer

Mit dem Digital Services Act (DSA) hat die EU jedoch ein Gesetz verabschiedet, das Plattformen zu mehr Verantwortung zwingt. Altersprüfungen könnten damit künftig europaweit verpflichtend werden. Der DSA bietet zudem einen Rahmen für strengere Regelungen, etwa wie sie Australien nun umsetzt.

TikTok ist die beliebteste App unter Jugendlichen

Was spricht für und gegen ein Verbot?

Argumente für ein Verbot

1. Schutz der geistigen Gesundheit:

Studien zeigen, dass soziale Medien bei Jugendlichen verheerende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. Depressionen, Essstörungen und Angstzustände sind nur einige Beispiele. Ein Verbot könnte helfen, diese Probleme einzudämmen.

2. Signal an die Tech-Konzerne:

Jahrelang haben Plattformen wie Meta, TikTok und Snapchat gezeigt, dass freiwillige Maßnahmen unzureichend sind. Ein Verbot würde den Druck erhöhen, endlich ernsthafte Schutzmaßnahmen umzusetzen.

3. Vorbildfunktion:

Australien zeigt, dass radikale Schritte möglich sind. Andere Länder könnten diesem Beispiel folgen und Kinder und Jugendliche besser schützen.

Kritische Stimmen

1. Umgehung des Verbots:

Kritiker warnen, dass Jugendliche in weniger regulierte Bereiche des Internets ausweichen könnten, etwa zu anonymen Messenger-Diensten oder Plattformen, die schwerer zu kontrollieren sind.

2. Eingeschränkte Medienkompetenz:

Statt Verbote zu erlassen, plädieren manche Experten dafür, die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Nur so könnten sie lernen, kritisch mit sozialen Medien umzugehen.

Was können wir von Australien lernen?

Australien setzt mit seinem radikalen Ansatz ein klares Zeichen. Doch was bedeutet das für Deutschland und Europa?

Paradigmenwechsel bei der Verantwortung

Ein zentraler Unterschied ist die Verlagerung der Verantwortung von den Eltern hin zu den Plattformbetreibern. Diese werden gezwungen, technisch innovative Lösungen zu finden, statt die Verantwortung an die Nutzer abzuwälzen.

Altersverifikation als Standard

Biometrische Systeme oder die Verknüpfung mit Ausweisdokumenten könnten auch hierzulande eingeführt werden. Diese Maßnahmen müssen jedoch datenschutzkonform gestaltet werden, um Akzeptanz zu finden.

Fazit: Ein Weckruf für Deutschland und Europa

Die Diskussion um ein Social-Media-Verbot für Jugendliche zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist. Australien beweist, dass mutige Maßnahmen möglich sind – und notwendig, um die geistige Gesundheit junger Menschen zu schützen.

Die Frage ist nicht, ob, sondern wie Deutschland und Europa nachziehen. Altersverifikation, strengere Regeln und der Druck auf Plattformen, endlich Verantwortung zu übernehmen, sind unverzichtbar. Australien liefert eine Blaupause – es liegt an uns, daraus zu lernen.